Kanada Teil II: Wild West, Weinbau-Täler und unendliche Weiten aus der Vogelperspektive

Von Vancouver aus machten wir uns auf den Weg nach Whistler. Was ich total witzig fand: Auf dem Highway gibt es Radwege. Na gut, es ist auch keine "German Autobahn" wie man mir erklärte, da man ja nicht wirklich schnell fahren darf. Aber selbst an deutschen Landstraßen gibt es nicht oft Radwege - und wenn dann auch nur irgendwo in der Nähe, aber nicht direkt ans Straßennetz angeschlossen. Ich gebe zu, wirklich Radfahren würde ich dort nicht, weil es natürlich ordentlich bergauf und -ab geht. Zwei Kategorien zu krass für meine kleinen Beinchen. Statt langweiligen Raststätten gibt es am Highway nach Whistler nette "recreational areas" mit Bärenwarnung und einem passenden Naturschauspiel wie Wasserfällen. Die Reise in die Berge lässt sich also von Anfang an nicht lumpen. Von Whistler aus ging die Tour weiter nach Kamloops, dort drehten wir eine extra Runde um das Okanagan Valley, um dann über Clearwater nach Valemount zu fahren. Valemount war unser Eingangstor zu den Nationalparks. 

Whistler und der moderne Märchenwald

Wir hatten ganz viel Glück und konnten ein günstiges Zimmer in der Nita Lake Lodge in Whistler ergattern (siehe erstes Bild oben). Auf dem angrenzenden See haben wir am Morgen eine kleine Kanu-Tour gemacht. Die Boote konnten wir kostenlos im Hotel ausleihen. Wie man  auf dem Bild sieht, sieht man nicht viel - es war ziemlich bewölkt....  die "real canadian experience". Aber zurück zum Ankunftstag. Wir wollten eigentlich mit der Peak to Peak Gondola fahren oder Downhill-Räder ausleihen - für beides war das Wetter nicht geeignet. Also haben wir das exquisite Hotel genossen und sind abends zu Vallea Lumina gegangen, ein audiovisuelles Erlebnis, das sich für große Kinder eignet. Ich fand es soooo schön. Es ist wie ein moderner Märchenwald durch den man eine Nachtwanderung macht. Erzählt wird die Geschichte von Großvater und Enkelin, die in der kanadischen Wildnis unterwegs sind. Man bewegt sich im Dunklen ca. 45 Minuten durch einen recht großen Wald, der an allen Stellen mit speziellen Effekten beschallt und beleuchtet wird. Da haben Bäume projizierte Gesichter und können sprechen, an Tannen leuchten tausende kleine Sterne und bunte, riesige Kugeln blinken im Takt der elektronischen Musik auf. Ziemlich mitreißend und mit viel Liebe zum Detail gemacht. Und das bisschen Nieselregen macht uns nichts aus. Für uns war es ein tolles Ersatzprogramm. 

 

Da wir nur eine Nacht geblieben sind, ging es nach unserer Morgen-Kanutour direkt weiter nach Kamloops, meiner Meinung nach durch den wilden Westen. 

Welcome to the Wild wild West

Bevor es in den wilden Westen zwischen Coast Mountains und Rockies ging, boten sich einige spektakuläre Blicke.
Bevor es in den wilden Westen zwischen Coast Mountains und Rockies ging, boten sich einige spektakuläre Blicke.

Was soll ich sagen: Die Straßen, die nach Whistler kamen, waren grandios. Vielleicht bin ich auch einfach zu begeistern, aber mir stand echt der Mund offen. Zunächst war es noch ziemlich bergig, aber ab Lillooet war es offen und weit und rissig und fast kein Baum war mehr zu sehen. Es fehlten tatsächlich nur diese Gestrüpp-Kugeln, die über die Straßen wehen. Rätselhaft war uns, wie manche Häuser dort an Ortschaften angeschlossen sind. Mitten im Nirgendwo steht ein Haus, ein einzelnes Haus. Davor, wie man es aus amerikanischen Filmen kennt, vier verrostete, ausgenommene Pick-Ups, hier und da etwas Müll und alte Reifen, vielleicht ein Hund und ein bisschen Aluabdeckung vor den Fenstern. Und dahinter: nichts. 

Auf den ersten Blick sieht der Graben gar nicht so groß aus - bis man rechts hinten die Straße entdeckt. :)
Auf den ersten Blick sieht der Graben gar nicht so groß aus - bis man rechts hinten die Straße entdeckt. :)

An der Kreuzung zwischen Highway 97 und 99 befindet sich eine Art Show-Ranch, die Historic Hat Creek Ranch. Dort machten wir Zwischenstopp. Es gab Bison-Chili und Pommes. Und irgendwie bekam ich da zum ersten Mal dieses Gefühl, wie aufregend es für die Entdecker gewesen sein muss. Dort ist wirklich "nichts" und damals wussten die Menschen nicht, was sie hinter dem nächsten Berg erwartet, ob es überhaupt weiter ging. Keine Karte, kein Satellit, kein GoogleMaps. Nur der Wunsch, das große Glück zu finden- oder Gold, oder fruchtbares Land. Wenn man sich das eigene beschränkte Leben dann vor Augen führt, merkt man erst einmal, wie wenig Mut man mitbringt. Da ist diese Weite, dieser Platz - aufregend und zugleich ein bisschen einschüchternd. 

Weiter Richtung Kamloops wird die Gegend wieder ein bisschen grüner. Mein Mund stand immer noch weit offen. Auch wenn die Berge in den Rockies phänomenal sind, ich tendiere dazu, das fast beeindruckender zu finden! Was man den Fotos auch ansieht: Das Wetter war semi-optimal. Aber der Schönheit der Landschaft hat das keinen Abbruch getan. 

 

Kamloops selbst ist eine kleine, ich würde sagen etwas industrielle Stadt. Wir haben uns dort den Stadtpark am Wasser angeschaut und sind ein bisschen durch Downtown geschlendert, aber wirklich empfehlen kann ich nichts Spezielles. Da wir wieder nur zwei Nächte bleiben wollten, war uns die strategische Lage wichtig. Wir wollten nämlich noch einen Tagesausflug ins Okanagan Valley unternehmen. 

In diesen Anblick habe ich mich verliebt und wäre gern mit einem Pony durch die Landschaft geritten ;)
In diesen Anblick habe ich mich verliebt und wäre gern mit einem Pony durch die Landschaft geritten ;)

Weinverkostung im Okanagan Valley

Die Landschaft zwischen den Coast Mountains und den Rockies ist flacher und an einer ganz bestimmten Ecke hat sich ein wunderbar mediterranes Mikro-Klima entwickelt. Dort, im Okanagan Valley, wächst sogar Wein. Ich muss zugeben, so manch ein Blick auf die Landschaft hat italienische Gefühle geweckt. Und plötzlich schien auch die Sonne und es war richtig warm. Wir hatten 20°C ! Da die Seen dort nicht mit Gletscherwasser gespeist werden, entwickeln sie im Sommer eine angenehme Temperatur. In Kelowna haben wir sogar Wasser-Ski-Sportler beobachtet.

 

In der Gray Monk Winery gönnten wir uns eine süffisante Weinverkostung. Von der netten Bedienung haben wir alles mögliche erfahren. Wir haben über Gott und die Welt gesprochen, nur nicht über den Wein. Wir wussten im Anschluss mehr über ihre Familie, als über den feinen Tropfen. Das war aber nicht weiter tragisch, da ich eh nur die Kategorie "schmeckt - schmeckt nicht" habe und an diesem Tag alles in "schmeckt" eingeordnet wurde. Was ich eigentlich sagen will: So viel Smalltalk wie in drei Wochen Kanada führen wir in Deutschland sonst in einem ganzen Jahr. Ich finde das total nett und ich finde es schade, dass man in Deutschland nicht so einfach ins Gespräch kommt. 

Auf dem Rückweg nach Kamloops haben wir dann erlebt, was "changing weather conditions" sind. An den "mountain roads" wird nämlich immer davor gewarnt. Wir starteten bei 20°C fuhren keine 15 Minuten, es regnete. Wieder ein paar Minuten später hatten wir -1°C und Schneeregen - und es ging nicht wirklich steil bergauf. Das hat uns mit unseren Sommerreifen ein bisschen in Angst versetzt, zumal tatsächlich auch zwei Autos auf unserer Tour frisch im Straßengraben lagen. Ein paar Kilometer weiter, war es dann wieder trocken und 10°C warm. Klamottentechnisch sollte man zu jeder Zeit für alles gewappnet sein. Glaubt den Reiseblogs nicht, bei denen der Himmel in Kanada immer blau ist! ;)

 

An der Abzweigung in Merritt haben wir uns nicht für den Highway 5 entschieden, sondern den kleineren 5A.  Auch da tat sich wieder eine neue Landschaft auf, der es an Weite nicht mangelte und auch dort sind an den unglaublichsten Orten einzelne Häuser zu finden, aber nicht nur mit Pick-Ups vor der Tür, sondern mindestens auch fünf Pferden. Auch wenn das Wetter wirklich ganz und gar kanadisch war, waren wir sehr glücklich so einsam und allein auf dieser Straße zu fahren. 

Wells Gray Provincial Park von oben

Start- und Landebahn sehen ziemlich abenteuerlich aus. Anschnallen nicht vergessen!
Start- und Landebahn sehen ziemlich abenteuerlich aus. Anschnallen nicht vergessen!

Ein Highlight der Reise war der Wells Gray Provincial Park aus der Luft. Ja, richtig gelesen. Es war mein Geburtstagsgeschenk für meinen Mann. Wir fuhren also morgens von Kamloops in Richtung Valemount und hielten auf halber Strecke in Clearwater. Dort ist ein Zugang zum riesigen Wells Gray Provincial Park, der für seine spektakulären Wasserfälle berühmt ist. An einem kleinen "Flughafen" startete unsere Tour mit Wells Gray Air. So eine Tour mit der Vier-Mann-Propellermaschine ist natürlich nicht nur wegen der Ausblicke, sondern auch schon so ein echtes Erlebnis. Vor allem, wenn man wie ich Flugangst hat. 

 

Wir sind echte Glückskinder, denn es gab zwei große vorgeplante Programmpunkte. Das waren dieser Flug und noch eine Kanutour. An beiden Tagen hatten wir gute bis fantastische Wetterbedingungen. Da der Flieger nur auf Sicht unterwegs war, war es wichtig, dass die Wolken nicht zu tief hangen. 

Kein Ende in Sicht.
Kein Ende in Sicht.

Was in der Luft folgte, lässt sich schwer mit Worten beschreiben. Insgesamt flogen wir knappe 50 Minuten über Wasserfälle, die man eigentlich nur aus dem Flugzeug zu Gesicht bekommt, über unendliche Wälder, Flussschlingen, Seen, Moore, stille Vulkan-Kegel und eine einzige Straße, die in den Park hineinführt. 

 

Das Highlight war der Helmcken Wasserfall. Aus dem Flieger sieht es zuerst so aus, als ob der breite Fluss einfach plötzlich aufhört. Erst in der Nähe realisiert man, dass er einen mächtigen Abgrund hinunterstürzt. Witzig ist, dass sich der Flieger dann immer richtig "in die Kurve gelegt hat", damit wir eine gute Sicht nach unten haben. Crazy, oder? Rock, unser Pilot, hat uns viel erklärt und war ein sehr angenehmer Typ, der mir ein Gefühl der Sicherheit vermittelt hat. Es war super laut in der kleinen Maschine, aber wir hatten so lustige Mickey-Mouse-Kopfhörer und Mikros, mit denen wir uns professionell verständigen konnten. Die Landung auf der Schotterpiste war interessant! Ich war, auch aufgrund der Angst aber vor allem wegen des Erlebnisses, voller Adrenalin und mega aufgedreht. Im Anschluss sind wir dann in den Park hineingefahren und haben das, was zugänglich war, von unten betrachtet. 

Helmcken Falls aus der Luft - da kribbelt's richtig im Bauch, wenn ich daran denke.
Helmcken Falls aus der Luft - da kribbelt's richtig im Bauch, wenn ich daran denke.
Von Wasserfällen können wir nicht genug bekommen. Die Helmcken Falls sind auch vom Boden aus eine mächtige Augenweide.
Von Wasserfällen können wir nicht genug bekommen. Die Helmcken Falls sind auch vom Boden aus eine mächtige Augenweide.

Hier liest du Teil drei und vier der großen Kanada-Reise.

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Kommentare: 2
  • #1

    Angela Ronneberger (Sonntag, 21 Oktober 2018 11:47)

    ...eine wunderbare Naturwelt...�

  • #2

    Ronneberger Mathias (Montag, 22 Oktober 2018 10:19)

    Großartige Landschaft und schöner Reisebericht. Du solltest das hauptberuflich machen.�